Im besetzten Belgien gehört die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu den wichtigsten Aufgaben des militärischen Besatzungsregimes. Als Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich arbeitet General von Falkenhausen eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen aus, die nicht nur zur Sicherstellung der öffentlichen Ordnung beitragen sollen, sondern ebenfalls direkt die Bestrafung derjenigen regeln, die die Sicherheit der Wehrmacht in Gefahr gebracht haben.
Im ersten Jahr wird die Militärverwaltung mit einem Besatzungsgebiet konfrontiert, in dem die Bevölkerung die Arbeit wiederaufnimmt, die Wirtschaft sich beständig erholt und von Widerstand kaum die Rede ist. Weil in dieser Phase des Krieges noch kein Bedarf an harter Repression besteht, unternehmen die deutschen Militärs alles, um sich das Image eines ‚korrekten‘ Besatzers zu geben. Das Ergebnis ist eine relativ milde Repressionspolitik, die durch eine beinahe systematische Begnadigung von Todesstrafen und schweren Freiheitsstrafen charakterisiert ist.
Der Wendepunkt in der deutschen Sicherheitspolitik tritt in der zweiten Hälfte des Jahres 1942 ein. Verhasste Maßnahmen, wie beispielsweise die Zwangsarbeit in Deutschland, die sich ändernden Kriegschancen und eine Zunahme des bewaffneten Widerstandes drängen den Besatzer in die Defensive. Obwohl die Militärverwaltung eine gerichtliche Verfolgung von Widerstandskämpfern vorzieht, greift der Besatzer doch immer öfter auf außergerichtliche Maßnahmen zurück, wie beispielsweise die Deportation in die Konzentrationslager oder die Hinrichtung von Geiseln als Vergeltungsmaßnahme für ungeklärte Gewalttaten.
Ab 1943 nimmt nicht nur der Umfang der außergerichtlichen Repression zu. In seinem Kampf gegen den zunehmenden Widerstand weicht der Besatzer auch immer öfter die Grenzen der bestehenden Gerichtsverfahren auf. Seine Kriegsräte sprechen immer mehr Todesstrafen aus, die künftig beinahe systematisch ausgeführt werden. Darüber hinaus lässt der Besatzer am 10. Mai 1943 zum ersten Mal drei zum Tode verurteilte Widerstandskämpfer aufhängen, eine Maßnahme, die vor allem der Abschreckung dient.
Mit dem Regimewechsel vom 18. Juli 1944 bricht eine letzte Phase in der deutschen Sicherheitspolitik an. Mit dem Verschwinden der Militärverwaltung und der Entstehung einer Zivilverwaltung fällt die Aufrechterhaltung der Ordnung in die Hände der SS, was zu einer hauptsächlich außergerichtlichen Repression führt. Das neue Regime verhält sich nicht nur wohlwollend gegenüber Kollaborateuren, die auf eigene Faust Repressalien gegen Widerstandskämpfer anwenden, auch der Polizeidienst Sipo-SD bekommt freies Spiel in seinem Kampf gegen den Widerstand. Dies führt unter anderem zu standesrechtlichen Hinrichtungen und groß angelegten Razzien und Gemetzeln.
De Jonghe, Albert. “De Strijd Himmler-Reeder Om de Benoeming van Een HSSPF Te Brussel (1942-1944). Eerste Deel: De Sicherheitspolizei in België.” Bijdragen Tot de Geschiedenis van de Tweede Wereldoorlog 3 (1974): 9–81.
Roden, Dimitri. “"In Naam van Het Duitse Volk!” Het Duitse Krijgsgerecht En de Openbare Orde in Bezet België (1940-1944).” Ph.D. Thesis, Universiteit Gent, 2015.
Roden, Dimitri. “Van Aanhouding Tot Strafuitvoering. De Werking van Het Duitse Gerechtelijke Apparaat in Bezet België En Noord‑Frankrijk (1940-1944).” Cahiers d’Histoire Du Temps Présent/Bijdragen Tot de Eigentijdse Geschiedenis 22 (2010): 113–60.