Belgien im Krieg / Artikel

Geheime Armee

Thema - Widerstand

Verfasser : Maerten Fabrice (Institution : CegeSoma)

Mit mehr als 54.000 anerkannten Mitgliedern scheint die „Armée secrète“ (dt. Geheime Armee) am Vorabend der Landung der Alliierten die bei weitem stärkste Bewegung im bewaffneten Widerstand zu sein. Während ihrer Entwicklung durchlebte sie jedoch Höhen und Tiefen. 

Vielversprechende Anfänge, fast verhängnisvolle Isolation

Der Wille, sich an der Befreiung des Landes zu beteiligen, wird von den Militärs an der Spitze der Organisation zu Beginn des Sommers 1941 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Infolgedessen und aufgrund der Qualität der damals eingesetzten Führungskräfte, kann die Bewegung von Herbst 1941 bis Frühling 1942 bemerkenswerten Zuwachs verzeichnen. Doch die immer deutlichere Klarheit, mit der die Besatzungstruppen das Gefahrenpotenzial der Gruppe sehen, führt gepaart mit mangelnder Erfahrung im Guerillakampf seitens der Widerstandskämpfer zu Verhaftungswellen, die für die Organisation fast das Ende bedeuten. Noch unsicherer wird die Lage im Herbst 1942, weil der Kommandant Charles Claser, der Anführer der Organisation, im Spätsommer 1942 aus Großbritannien zurückkehrt und die damals als „Légion Belge“ (dt. Belgische Legion) bezeichnete Bewegung sämtliche Verbindungen nach London verliert. 

Diese regelrechte Funkstille ist die Folge eines grundlegenden Missverständnisses zwischen Claser und den wichtigsten Mitgliedern der Belgischen Regierung, die ihm als Royalisten unterstellen, er wolle mit seiner Organisation vor allem die Macht des Königs stärken. Der Vorwurf ist nicht unbegründet, aber die Belgischen Behörden übersehen dabei, dass die autoritären Vorhaben, die der Légion Belge bei ihrer Gründung im Spätsommer 1940 zugrunde lagen, inzwischen einem aufrichtigen Willen gewichen sind, die Besatzungsgruppen aus Belgien zu vertreiben – im wohlverstandenen Interesse von Land und König.

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Institution : CegeSoma
Urheberrecht : CegeSoma
Legende des Ursprungs : Charles Claser, s.d.

Ein langsamer Wiederaufbau

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Institution : CegeSoma
Urheberrecht : CegeSoma
Legende des Ursprungs : Colonel Jules Bastin

Glücklicherweise für die „Légion belge“, ermöglicht ein Wechsel an der Spitze der Organisation durch Kommandant Jules Bastin, nachdem Claser im November verhaftet wurde, die Wiederaufnahme von Gesprächen. Jedoch waren zu Beginn des Jahres 1943 die Verbindungen nach London noch schwierig, und der Feind nutzt die Naivität, Unvorsichtigkeit und Ungeduld der Akteure der nunmehr als „l’Armée de Belgique“ bezeichneten Organisation aus, um Ende April 1943 eine Falle zu stellen, in die zahlreiche Verantwortliche der Organisation, darunter auch Bastin, tappten. Dadurch wird die Bewegung komplett unorganisiert. 

Aber bestimmte Bereiche der Gruppierung entkommen der deutschen Polizei und bauen das Gerüst der Organisation geduldig in den verschiedenen Regionen des Landes wieder auf. Ihre Bemühungen, in besondere die von von Bastins Nachfolger, dem Kommandanten Yvan Gérard, werden von der Regierung in London ermutigt, die der Bewegung im Sommer 1943 nicht nur ihre Anweisungen, sondern auch Geldmittel zukommen lässt. Im März 1944 finden die ersten Fallschirmabwürfe von Waffen und Sprengstoff seit dem Ende der ersten Serie im Oktober 1943 statt. Insgesamt werden 1.789 mit Militärgütern gefüllte Container für die Organisation abgeworfen.

Bewaffnete Kämpfe

Am 8. Juni 1944 beginnt die Bewegung mit der Sabotage von Kommunikationswegen und Transportmitteln der deutschen Armee. In weniger als drei Monaten werden 95 Eisenbahnbrücken, 12 Straßenbrücken und 15 Schleusen zerstört oder beschädigt; außerdem gelingt es, 17 Tunnel zu verstopfen und 116 Entgleisungen zu verursachen, sowie 285 Lokomotiven und 1365 Waggons außer Betrieb zu setzen. Darüber hinaus macht man zahlreiche unterirdische Kabel und mehrere Telefonzentralen unbrauchbar. Bei der Befreiung kann die Bewegung den alliierten Truppen wertvolle Zeit sparen, indem sie informiert, führt und Einheiten bereitstellt, die bei der "Säuberung" der verstreuten Überreste des deutschen Widerstands helfen. Insgesamt spielt sie eine entscheidende Rolle bei der Sicherung des Hafens von Antwerpen. Ab dem 15. Oktober 1944 schreitet die Demobilisierung rasch voran.

Eine endlich vereinigte Bewegung

All diese Operationen wurden von Generalleutnant Jules Pire geleitet, der nach dem Verschwinden von Oberst Gérard im März 1944 die Geheime Armee (so der offizielle Name der Bewegung ab Juni 1944) leitete. Während der letzten Monate der Besatzung führte er eine solide Struktur, die auf einem royalistischen Rahmen basierte und sich um die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung kümmerte. Gleichzeitig beharrte er auf der politischen Neutralität, die als unabdingbar angesehen wurde, um das vorrangige Ziel zu erreichen, zur Vertreibung des Feindes beizutragen. Diese Haltung erlaubt es der Bewegung, in fast allen sozialen Schichten zu rekrutieren. Die Bewegung bedauert den Verlust von rund 4.000 Mitgliedern, obwohl viele von ihnen auch in anderen geheimen Organisationen engagiert waren.

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Institution : CegeSoma
Urheberrecht : CegeSoma
Legende des Ursprungs : Armée Secrète. 5e Section du groupe D., Sect. 5, Zone V, Groupe D. 20 août 1944 - camp des spirous

Bibliografie

Marquet, Victor, Contribution à l’histoire de l’Armée secrète 1940-1944, Brüssel, Pygmalion/Union des Fraternelles de l’Armée secrète, 6 fasc., 1991-1995.

Pour citer cette page
Geheime Armee
Verfasser : Maerten Fabrice (Institution : CegeSoma)
https://www.belgiumwwii.be/de/belgien-im-krieg/artikel/geheime-armee.html