Militärstaatsanwaltschaft im Zentrum der Repression
Innerhalb der Militärgerichtsbarkeit, die für die Verfolgung der Kollaborateure während des Zweiten Weltkriegs zuständig ist, fungiert der Militärstaatsanwalt sowohl als Untersuchungsrichter (Ermittlungsleiter) als auch als Ankläger (zuständig für die Anklage vor dem Kriegsgericht). Die Militärstaatsanwaltschaft und ihre Stellvertreter sind somit wesentliche Akteure für eine bessere Aufarbeitung der Repression und ihrer Ausmaße.
Nach der Befreiung explodiert die Anzahl der Militärstaatsanwälte in Belgien: Waren es in Friedenszeiten (Gründung 1927) noch vier, so sind es im Februar 1946 einundzwanzig. Sie mussten sich mit dem Zustrom von Kollaborateursfällen, aber auch mit den anderen Zuständigkeiten der Militärgerichtsbarkeit (insbesondere den Schutz der alliierten Armeen und die Untersuchung von Kriegsverbrechen) auseinandersetzen. Die Zahl der Militärstaatsanwälte wird mit der Zahl der Verurteilungen allmählich abnehmen.
Die Militärstaatsanwälte stehen vor einer gewaltigen Aufgabe: Ihre Arbeit wird durch materielle Schwierigkeiten (verfügbare Büroräume, Ausstattung, Kommunikationsmittel usw.) erheblich erschwert, aber auch das ihnen zur Verfügung stehende Personal lässt zu wünschen übrig. Die meisten - oft unerfahrenen - Militärstaatsanwälte werden während der Befreiung rekrutiert und müssen sich sehr schnell auf eine ihnen unbekannte Situation einstellen.
Jean Dofny et François Debroux, Substituts de l’auditeur militaire : « quand je suis arrivé là-bas, devant 200-300 dossiers, j'étais absolument désemparé » ( Jours de guerre, 29/11/1994, RTBF)
Generalmilitärstaatsanwalt: Koordinierung der Strafverfolgung
Die Militärstaatsanwälte unterstehen dem Büro des Generalmilitärstaatsanwalts in Brüssel. Der Generalmilitärstaatsanwalt übt seine Funktion beim Militärgericht in Brüssel aus. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Arbeit der Militärstaatsanwälte zu erleichtern. Auch koordiniert er die Strafverfolgung auf nationaler Ebene, um zu große Unterschiede in der regionalen und lokalen Strafverfolgungspolitik bei den verhängten Strafen und Verurteilungen zu vermeiden. Zu diesem Zweck führt er wichtige Dokumentations- und Informationsaustauscharbeiten für alle Militärstaatsanwälte durch.
Diese Kompetenz macht den Generalmilitärstaatsanwalt, Walter Ganshof Van der Meersch, in Zusammenarbeit mit den aufeinanderfolgenden Justizministern zu der Person, die die Kriminalpolitik im Hinblick auf die Kollaboration definiert und lenkt. Seine Rolle im besetzten Belgien wurde durch seine Doppelfunktion, er war von 1943 bis Ende 1945 auch Hoher Kommissar für Staatssicherheit, noch verstärkt.
Bibliographie
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